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Ostersamstag, 7. April 2007 - 14h28
© Richard K. Breuer

 

„Woran schreibst du gerade?“, wird mir die Frage gestellt. Und weil ich mich nicht gerne wiederhole, werde ich nun eine Antwort geben. Klingt einfach, ist es natürlich nicht. Weil über ungelegte Eier so schwerlich zu erzählen ist. Eines muss hier und jetzt gesagt werden, zwischen einer Idee und einer Inspiration liegen Welten. Ideen kommen immer dann, wenn du eine Frage stellst, dich mit dieser Frage lang und breit auseinander setzt. Eine Inspiration hingegen kommt, wie es ihr passt, sie braucht keine Frage, um eine Antwort zu geben. Göttlich, wenn „einem die Inspiration gar zauberhaft ins Gehirn fährt“ (O.Lielienthal), hilfreich zuweilen, wenn einem die Ideen nicht ausgehen. Über das Schreiben eines neuen Buches.  

 

Am Dienstag Vormittag, am frühen Morgen des 3. April (kann es sein, dass an diesem Tage mein Namenstag ist?), begann der Dichter zu Wien das neue Buchprojekt in Angriff zu nehmen. Eigentlich gab es schon ein erstes Kapitel, das im Juni 2006, in der Hitze und Einsamkeit eines niederösterreichischen Badeteichs geschrieben wurde. Demzufolge galt es, von diesem Kapitel aus die schreibende Welt zu erobern. Plot im Kopf, Zeit im Überfluss – was soll da jetzt noch schief gehen?

Zwei, drei Tage wurde also fleißig geschrieben. Aber was heißt fleißig? Am Vormittag ein paar Stunden, hin und wieder am Nachmittag. Abends nie. Des Nächtens schon gar nicht. Untrügliches Zeichen, dass das Feuer in des Dichters Brust noch nicht entfacht wurde. Immer ist es das tiefe Verlangen, die Geschichte weiterzuschreiben, diesen einen Gedanken, diese eine Idee auszuformulieren. Und eh man sich versieht, arbeitet und schreibt man wie in Trance, kippt in die gerade erfundene Welt, gleitet ab und merkt gar nicht, welche Lieder gerade aus den beiden Musikboxen säuseln. Und wenn das Kapitel beendet, die Idee endgültig eine erzählende Form angenommen hat, dann darf ausgeatmet, darf das Werk bewundert werden. Anfänglich ist es noch der Überschwang, der wie ein euphorisch machender Duft den Raum und den Dichter erfüllt: feuchte Augen, zittrige Hände und ein jubilierendes Herz. Doch nur Tage oder Wochen später, wenn die rosarote Schöpfungsbrille endlich abgenommen, wird dieses "perfekt gelungene" Kapitel ansatzlos gestrichen, weil es zu schwülstig, zu banal, zu schwach, einfach nicht zum Rest passen möchte. Halt! Eine bescheidene Zeile überlebt das blindwütige Streichen. Und es wird jene Zeile sein, die ein neues Kapitel aufstößt.

Woran wird also gerade geschrieben? Die Rache des Dichters Tiret, so sollte das neue Buch heißen. Aber vor zwei Stunden, während ich im Kaffeehaus in mein Tagebüchlein schrieb, das Koffein seinen Dienst tat, musste ich bemerken, dass mir mit einmal ein anderer Titel (Die Liebschaften des Dichters Tiret) durch den Kopf ging. Wie das? Gab die blutrünstige Rachgeschichte zur Zeit der französischen Revolution plötzlich nicht mehr so viel her? Oder hat der momentane Gemütszustand (angenehme und zufriedene Erbaulichkeit) seine Finger im Spiel? Oft ist es das Gemüt, das einen leitet und führt. Das klingt merkwürdig, ist aber so. Weil es nichts Ehrlicheres geben kann, als aus seinem Innersten zu schöpfen. Warum muss die Schriftstellerei so viel erfinden, wenn die Realität immer noch der bessere Geschichtenerzähler, der bessere Psychologe ist?

An der Donau gesessen, nach dem Kaffeehaus, und die vielen Gedanken sortiert, geordnet, weitergesponnen. Dabei zwei Raben beobachtet, die sich in die Federn kriegten. Revierstreitigkeiten, vermutlich. Dabei wieder die Frage stellen müssen, wie das Gesamtwerk auszusehen hat, vor allem, wie die Form, wie der Stil auszusehen hat. Bis jetzt ist es eine Erzählung, in der sich der Erzähler nicht herausnimmt, sondern, ganz im Gegenteil, seine philosophischen Ansichten zum Besten gibt. Aber zu sehr erinnert es an Azadeh, was mich wiederum stört. Wiederholung ist etwas fürs TV, aber nichts für einen Schriftsteller. Da ist es das Wort Sammelsurium, das mir in den Sinn kommt. Warum nicht ein Puzzle machen, einen Mix, eine Melange aus Stil und Form? Freilich, man könnte jetzt meinen, ich hätte aus der Not eine Tugend gemacht (wahrscheinlich stimmt es auch) – aber wie kommt es, dass mir dieses eine Wort auf einer Bank am Donauufer einfiel? Es hat etwas mit mir zu tun. Mit dem Buch. Soviel steht fest. Was aber nicht heißen soll, dass hier schon der Schlusspunkt gesetzt wird. Mitnichten! Der Einfall öffnet eine Türe – wohin sie führt, wer vermag das hier und jetzt zu sagen?

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