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Freitag, 13. April 2007 (!) - 10h38
© Richard K. Breuer

 

Gestern Nachmittag den Vortrag von Wolfgang Tischer über Weblogs und Podcasts aufmerksam gelauscht. Tischer, der Gründer vom literaturcafe.de und Umtriebiger in der weltweiten Netzlandschaft, machte einen sympathischen und erfahrenen Eindruck. Freilich, dazulernen konnte ich als ausgefuchster Blogger natürlich nichts – aber der eine oder andere Tipp ließ mich aufhorchen und machte neugierig (davon später mehr). Nach dem Vortrag ging es – in der guten alten Wiener Gemütlichkeitstradition – zum geselligen Abendessen in den Schanigarten (Gastgarten). Da wurde es mir wieder klar vor Augen geführt, dass die virtuelle Welt (fast) nichts, die reale (fast) alles ist. Über die Anbahnungssackgasse und Rampenlichtsehnsucht des Web 2.0.  

 

Da saßen wir, eine Handvoll Interessierter und Wolfgang Tischer an einem runden Tisch, durchsuchten die Speisekarte des gutbürgerlichen Restaurants („Es ist schwierige, eine Wiener Menükarte zu lesen.“) und plauderten über dies und jenes. E., die quirlige ItaloWienerin, die mein Büchlein gelesen und es für gut befunden hat („muss jedes Mädchen lesen“), begann dafür Stimmung zu machen („wir könnten einen Podcast machen“). Ich fühlte mich natürlich gestreichelt und geschmeichelt – weil, wer solch Jünger(in) um sich zu versammeln versteht, wird bald als LiteraturMessias gefeiert (die Grenze zur Scharlatanerie ist nicht weit!). Aber dieses offensive Werben ließ mich kurzzeitig auf die Bremse treten – zu viel des Guten ist zu meist ein Schlechtes. Und wer über den Klee gelobt wird, erregt mehr Skepsis als Zustimmung – aber immerhin entfacht es Neugier. Ja, und wo Neugier ist, da ist auch Interesse. Während wir also bereits fertig gegessen haben, der Schweinsbraten des Wolfgang Tischers aber nicht kommen wollte, gab ich mir einen Ruck, holte aus dem Rucksack ein Exemplar und überreichte es ihm feierlich (trara). Große Augen – weil er dachte, es wäre ja nur ein Manuskript. Ich schrieb ihm eine nette Widmung rein (er bemerkte als gelernter Buchhändler, dass es auf dem Schmutztitel war!) und er freute sich. Was hat das jetzt mit dem Web zu tun?

Ich kann hier und jetzt nicht sagen, was Wolfgang Tischer und das literaturcafe.de mit dem Rezensionsexemplar anstellt. Faktum ist, dass es hier zu einem persönlichen, realen Kontakt gekommen ist. Ich kenne ihn, er kennt mich. Während ich die letzten Tage hin und wieder meine Spuren im literaturcafe.de hinterlassen habe (wichtig, wenn du etwas mitzuteilen und zu verkaufen hast), musste ich bemerken, dass die Möglichkeit, wahrgenommen zu werden, verschwindend gering ist. Daran leidet das Web. Wir wollen wahrgenommen werden, wollen im Rampenlicht stehen. Aber weil es so viele Menschleins gibt, die diese Sehnsucht haben, wird gefiltert und sortiert auf Teufel komm raus. Nur das Außerordentliche, Besondere, Kontroversielle, Aufreizende und Erregende erhält den Beifall, den Klick, den Visit. Aus der Idee, nicht den Massengeschmack bedienen zu müssen (wie es kommerzielle Medien tun müssen), wird über kurz oder lang nichts mehr. Alle streben nach dem Rampenlicht – und ein sich selbst verlegender Autor sucht es genauso. Auf den Punkt gebracht: wer sich mitteilen und wahrgenommen werden möchte, der muss sich verkaufen können – und ist eine der vielen virtuellen Nutten dieses Webs.

Vorgestern, zu Mittag, Manfred Rumpel getroffen, mit ihm über Gott und die literarische Welt geplaudert. Obwohl seine Bücher von namhaften Verlagen publiziert werden, er hin und wieder Beiträge für das „Spektrum“ (Wochenendbeilage der „Die Presse“)  schreibt, ist er völlig geerdet, sympathisch und weiß um die Probleme der Welt. Als wir uns verabschieden, drück ich ihm, mit einem aufgesetzten Lächeln, ein Exemplar meines Büchleins in die Hand. Bis zu diesem Zeitpunkt habe ich es peinlich vermieden, auch nur ein Sterbenswörtchen über meine Schreiberei zu verlieren. Warum? Weil ich befürchten musste, dass ich kalkuliert wirke, dass er meinen könnte, ich würde seine Nähe nur deshalb suchen, um den Fuß in die österreichische Literaturszene zu bekommen. Dieser Glaube, man könnte vom anderen ausgenutzt werden, ist Gift für jede sich anbahnende freundschaftliche oder bekanntschaftliche Beziehung. Was hat das jetzt mit dem Web zu tun?

Das Web hat Möglichkeiten geschaffen, sich auszutauschen. Es gibt unzählige Foren, in denen heiß (oder lau) diskutiert wird. Weblogs, in denen du Freundschaften suchen und gewinnen kannst. Singlebörsen, in denen du die Liebe (oder Verzweiflung) finden wirst. Business-Portale, in denen du dich mit anderen Selbstständigen und Freiberufler austauschen kannst. Alles Eitel Wonne? Mitnichten! So einfach es uns das Web macht, einen Kontakt herzustellen – also anzubahnen – so schwierig ist es dann, damit etwas Sinnvolles anzufangen. Sich Nachrichten und Kommentare zu schreiben, also miteinander zu kommunizieren, ist wichtig und richtig – führt aber im realen Leben nirgendwo hin. Am Anschaulichsten sieht man es bei den Online-Rollenspielen: du verbringst viel Zeit in diesen Fantasy-Welten, spielst einen fiktiven Charakter, der mächtig und beliebt ist, trittst in Kontakt mit anderen Spielern und alles verläuft überdrüber superfein. Aber zieht man den Stecker, was bleibt dem realen Menschen? Nichts. 

Die Zukunft des Web führt entweder in die perfekt gemachte Seifenblase („Wollt ihr die totale Illusion?“), in der du all das werden kannst, wovon du dein reales Leben lang geträumt hast („Ich hab in ThirdLife bereits 10 Billionen Bücher verkauft. Geil, was?“), oder schafft es, reale Menschen näher zusammen zu bringen. Heute ist es noch für viele zu riskant, sich zu öffnen, von der Anonymität abzugehen – im Besonderen für Frauen (weil das Testosterongesteuerte Männchen wahllos klicken und *** möchte). Aber meine Erfahrung, mich öffentlich im Web darzustellen (als Autor bleibt einem nichts anderes über), ist eine gute. Dann kann es dir schon mal passieren, dass du eine kreative Psychologin im Web kennen lernst, ihr euch nach gerade mal zwei Nachrichten zu einem Kaffee trefft („ich habe oft blind dates“) und angenehmst plaudert. Wenn wir es dorthin schaffen, dann ziehe ich den Hut vor dem Web. Aber Illusionen mache (und schreibe) ich mir bessere.

 

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